Neue EuGH-Entscheidung: Wie weit geht das Rückgaberecht bei Online-Waren?

“Versiegelte Waren” muss ein Versand- oder Onlinehändler im Rahmen des Widerrufsrechts des Verbrauchers (Rückgaberecht binnen 14 Tagen) nicht zurücknehmen, wenn man die Versiegelung entfernt hat und das bestellte Produkt dann unhygienisch und unverkäuflich wird.

 

In einem deutschen Vorabentscheidungsverfahren musste der EuGH vor Kurzem erstmals entscheiden, ob dies auch für eine Matratze mit Schutzfolie gilt. Die Entscheidung ist sowohl für heimische Unternehmen als auch für Verbraucher von Bedeutung.

 

Im Onlinehandel steht Konsumenten grundsätzlich ein Rücktrittsrecht zu, das 14 Tage ab Zustellung der Ware gilt. Ausnahmen gelten aber für Waren, die versiegelt geliefert werden und – wie es fast wortgleich im österreichischen Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) und in der Verbraucherrechte-Richtlinie der EU heißt – "aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind". Auf welche Produkte diese Ausnahme nunmehr konkret zutrifft, ist aber immer wieder strittig und eine Frage des Einzelfalles.

 

Es ging hier konkret um einen Online-Kauf einer Matratze um 1094,52 Euro. Geliefert wurde sie in einer Schutzfolie, die der Käufer entfernte. Der Besteller erklärte - offensichtlich unzufrieden mit dem Produkt - den Rücktritt vom Vertrag (Widerrufsrecht) und forderte den Händler auf, sie wieder bei ihm abzuholen. Als dieser der Aufforderung nicht folgte, überstellte er die Matratze auf eigene Kosten an den Online-Händler und klagte ihn schließlich auf Rückzahlung des Kaufpreises samt Transportkosten.

 

Der EuGH gab dem Kunden Recht: Das Widerrufsrecht soll dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, die Ware zu prüfen und zu probieren, heißt es in dem jungen EuGH-Urteil (C-681/17 ). Versiegelte Waren müssen vom Versand-/Onlinehändler erst dann nicht mehr zurückgenommen werden, wenn sie nach Entfernung der Versiegelung aus gesundheitlichen oder Hygienegründen definitiv unverkäuflich werden oder es "wegen ihrer Beschaffenheit unmöglich oder übermäßig schwierig ist, Maßnahmen zu ergreifen, die sie wieder verkaufsfähig machen".

 

Vergleich mit gelieferten Kleidungsstücken

 

Auf Basis der dargelegten Grundsätze judizierte der EuGH, dass Letzteres bei einer Matratze nicht der Fall sei, auch wenn sie womöglich schon benutzt wurde – schließlich würden ja auch Hotelgäste ein und dieselbe Matratze benutzen  und gäbe es auch einen Gebrauchtmarkt dafür. Auch eine gründliche Reinigung sei möglich.

 

Dabei spannte der EuGH den Bogen zu online gelieferten Kleidungsstücken. Denn auch Kleidung könne man anprobieren und, wenn sie eben nicht passe, zurücksenden. Selbst eine Berührung der Ware mit dem menschlichen Körper schließe das Widerrufsrecht demnach noch nicht aus.

 

Wann haftet der Verbraucher für retournierte Ware?

 

Der Europäische Gerichtshof stellte aber auch klar, dass der Verbraucher dafür hafte, wenn er das bestellte Produkt vor Rücksendung nicht nur getestet, sondern etwa bereits ausgiebig verwendet und Gebrauchsspuren hinterlassen habe. Das Widerrufsrecht verliere man lt. EuGH allerdings nicht einmal dann. Nur bestehe dann die Gefahr, vom Versandhändler eben nicht mehr den vollen Kaufpreis zurückzubekommen.  

 

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und schöne Frühlingstage! 

 

Ihr Henrik Gunz