Die Immobilienpreise steigen in luftige Höhen. Ähnliches geschieht aktuell auch bei der Inflationsrate. Für die jüngere Generation unter uns wird es immer schwieriger, eine Familie mit einem angemessenen Hausstand zu gründen. Wer heute über ein durchschnittliches Einkommen verfügt, hat es wahrlich nicht einfach, eine eigene Eigentumswohnung zu finanzieren, geschweige denn, ein Grundstück zu erwerben und darauf noch ein Haus zu errichten.
So taucht auch im Rahmen erbrechtlicher Beratungen bei Jung und Alt immer wieder die Frage auf, ob es eigentlich ein (gesetzliche verankertes) Recht zu erben gibt. Meist tritt diese Frage auch im Zuge von Überlegungen der Eltern auf, endlich „etwas Schriftliches“ machen zu wollen, um das Erbe zu regeln. Dabei tauchen unweigerlich viele Fragen auf.
Können etwa die Kinder das beeinspruchen, indem sie sagen, sie sind damit nicht zufrieden oder müssen sie es so akzeptieren, wie es schriftlich festgehalten wird. Meistens hat dann noch eines von mehreren Kindern bereits vorzeitig eine Immobilie oder einen Geldbetrag zum Erwerb einer Immobilie geschenkt erhalten. Werden solche Schenkungen berücksichtigt? Wie sieht hier die Rechtslage aus? Können die Kinder etwas verlangen und argumentieren, dass der Geschwisterteil schon einen erheblichen Wert des Vermögens der Eltern vorzeitig übertragen erhalten hat?
Grundsätzlich ist es rechtlich ganz allgemein gesprochen so, dass die Eltern den Inhalt ihrer letztwilligen Verfügung (womit vor allem ein Testament oder ein Vermächtnis/Legat gemeint ist) so aufsetzen können, wie sie es möchten. Weder die Kinder noch die Großeltern (sofern sie noch leben) haben hier ein verbindliches Mitspracherecht. Sie haben auch keinen Anspruch auf einen besonderen Inhalt des Testaments. In Österreich gilt der Grundsatz der Testierfreiheit, was bedeutet, dass jeder frei darüber entscheiden kann, was nach seinem Versterben mit seinem hinterlassenen Vermögen zu geschehen hat bzw. wem die noch vorhandenen Vermögenswerte zukommen sollen.
Es ist daher jedermanns Recht und steht im frei, sein erworbenes Vermögen zu Lebzeiten zu verbrauchen, vermögenslos zu sterben und seiner Ehegattin oder seinen Kindern gar nichts zu hinterlassen.
Daraus folgt rechtlich: es gibt auch in der Familie keinen grundsätzlichen Anspruch bzw ein Recht, von seinen Lieben etwas zu erben, auch nicht von den Eltern!
Ist der Erblasser (seit der jüngsten Gesetzesnovelle zum Erbrecht, welche seit dem 01.01.2017 in Kraft ist, wird der Erblasser im Gesetz jetzt offiziell „Verstorbene/r“ genannt) großzügiger und verbraucht sein Vermögen nicht selbst, so kann er also über das Schicksal seines Vermögen selbst frei entscheiden. So kann er neben Schenkungen zu Lebzeiten oder auf den Todesfall auch durch ein (formgültiges) Testament die gesetzliche Erbfolge ausschalten und eine Person seiner Wahl zum Erben einsetzen, mehrere Personen oder auch gemeinnützige Vereine, udgl bedenken.
Eingeschränkt wird diese Testierfreiheit durch gewisse Pflichtteilsrechte des Ehegatten und der Kinder (Geschwistern und den Eltern des Verstorbenen kommen keine Pflichtteilsrechte zu!).
Aber auch die pflichtteilsberechtigten Personen können bezüglich ihrer Pflichtteile in gewissen Konstellationen, etwa mit legalen vorzeitigen schenkungsweisen Übertragungen seines Vermögens an nicht pflichtteilsberechtigte Personen (wenn die Eltern etwa mit ihren Kindern "verstritten" sind, was auch vorkommen soll.....) leer ausgehen, sofern diese Vermögensübertragung 2 Jahre vor dem Tode des Erblassers erfolgt ist.
Läuft es im Ergebnis auf den gesetzlichen Pflichtteil hinaus, können die pflichtteilsberechtigten Personen (also der Ehepartner oder die Kinder) erst nach dem Tod eines Elternteils unter Umständen eine Pflichtteils(ergänzungs)klage einbringen. Das ist etwa dann denkbar und sinnvoll, wenn es bereits zu Lebzeiten der Verstorbenen schon Schenkungen bzw. Zuwendungen an andere pflichtteilsberechtigte Personen gab.
Sollte also jemand aus der Familie durch korrespondierende Schenkungen oder Zuwendungen an Geschwister ein Gefühl der (finanziellen) Benachteiligung haben, besprechen sie dies doch offen mit ihren Eltern und den Geschwistern oder holen sie sich Rat bei einem Rechtsanwalt oder Notar ein. Sie werden dann bei Erbrechts-Spezialisten nicht nur über die strengen testamentarischen Formvorschriften, sondern sicher auch über (nach wie vor relativ steuerattraktive) vorzeitige Vermögensübertragungen im Familienkreis schon zu Lebzeiten unterrichtet; und zwar selbstverständlich auch mit paralleler Absicherung der Eltern (Einräumung von Fruchtgenuss- oder Wohnungsrechten, Belastungs- und Veräußerungsverboten, Pflichtteilsverzichten, usw), ohne dass diese das Gefühl haben müssen, vorzeitig in Armut zu verfallen.
Ich stehe Ihnen natürlich bei solchen oder ähnlichen erbrechtlichen Fragen oder vorzeitigen Vermögens-Regelungen jederzeit gerne zur Verfügung, um „etwas Schriftliches“ zu machen und wünsche Ihnen/Euch allen einen schönen Herbsttag!
Ihr Henrik Gunz
Stand: 10.09.2021
Stichworte: Erbrecht, Recht zu erben?, Testament, Pflichtteilsanspruch, Pflichtteilsklage, vorzeitige Erbfolge, Schenkungen zu Lebzeiten und auf den Todesfall, steuerbegünstigte Vermögensübertragung im Familienkreis, Vermächtnis, letztwillige Verfügung, Pflichtteilsverzicht;
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