Die Covid-19-Epidemie stellt ArbeitgeberInnen (AG) und ArbeitnehmerInnen (AN) vor große Herausforderungen. Die Gefahr des Verlusts der Arbeit schwebt wie ein Damoklesschwert über Österreich. Nach jüngsten Schätzungen sind bereits 175.000 Menschen durch die Corona-Krise arbeitslos geworden. Es gilt, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen, denn auch Unternehmen erleiden Nachteile, wenn sie AN wegen der Viruskrise kündigen (müssen). Mit den am 15. und 20. März 2020 beschlossenen Covid-19 Gesetzen (1. u. 2) wurde ein spezifisches „Covid-19 Kurzarbeit-Modell“ geschaffen, das aufgrund der nicht saisonbedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorübergehend (vorerst für 3 Monate) vielen Unternehmen den Zugang zur Kurzarbeit eröffnet.
Spezialthema „Urlaubszwang“ bei gesetzlich verfügten Betriebsschließungen
Hierzu habe ich in den letzten Tagen viele (eher verwirrende) Phrasen und Schlagwörter gelesen, dass ich meine Leser an dieser Stelle über die rechtlich verbindlichen Details genauer informieren möchte. Die Frage die sich idZ sowohl für AG als auch AN gemeinsam stellt, ist, inwieweit im Rahmen der C-19-Kurzarbeit eine Verpflichtung der AN besteht, vor oder während des Kurzarbeitszeitraumes Resturlaub aus Vorjahren oder sogar einen Teil des laufenden Urlaubs zu verbrauchen.
Nach bisher gültiger Rechtslage (vgl. § 4 Abs 1 Urlaubsgesetz) ist ein Urlaubsverbrauch zwischen AN und AG einvernehmlich zu vereinbaren. AG können einen Urlaubskonsum somit nicht einseitig anordnen. Der Oberste Gerichtshof vertritt sogar die Rechtsansicht, dass selbst in Betriebsvereinbarungen konkrete Urlaubstermine nicht mittels Betriebsvereinbarung verbindlich angeordnet werden können.
Im 2. Covid-19 Gesetz wurde nun allerdings in § 1155 Abs 3 und 4 ABGB (warum diese Umsetzung vom Gesetzgeber im ABGB und etwa nicht im Urlaubsgesetz erfolgte, bleibt unklar) die Möglichkeit der einseitigen Anordnung von Urlaub durch AG (aber nur!) für den Fall vorgesehen, dass AG bei Unterbleiben der Arbeitsleistung infolge von Maßnahmen auf Grundlage des Covid-19-Maßnahmengesetzes, die zum Verbot oder zu Einschränkungen des Betretens von Betrieben führen, Entgeltfortzahlung zu leisten haben.
Grenzen der einseitigen Anordnung durch den AG
Für den Urlaubsverbrauch gemäß Abs. 3 gelten jedoch folgende Limitierungen:
1. Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr müssen nur im Ausmaß von bis zu 2 Wochen verbraucht werden.
2. Von der Verbrauchspflicht sind weiters ausgenommen solche Zeitguthaben, die auf der durch kollektive Rechtsquellen geregelten Umwandlung von Geldansprüchen beruhen.
3. Insgesamt müssen nicht mehr als 8 Wochen an Urlaubs- und Zeitguthaben verbraucht werden.
Zum anderen wurde in § 170 (3) Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) Bestimmungen festgelegt, dass Betriebsvereinbarungen (zwischen AG und Betriebsrat) nach § 97 Abs 1 Z 13 leg cit (besteht kein Betriebsrat, wäre das durch Einzelvereinbarung zw. AG und AN möglich), also solche im Zusammenhang mit der Corona-Kurzarbeit, auch „Regelungen zum Verbrauch des Urlaubs, ausgenommen Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr, und von Zeitguthaben“ treffen können. Was unter solchen "Regelungen" jedoch konkret zu verstehen ist, bleibt offen.
Die hier ausdrücklich angeführte Ausnahme des Urlaubs des laufenden Urlaubsjahres lässt wohl den Schluss zu, dass damit gerade auch eine Möglichkeit geschaffen werden sollte, durch Betriebsvereinbarung (und sohin normativ) einen Verbrauch von Alturlauben (und Zeitausgleich) anordnen zu können.
Wenn AG daraus jedoch schlussfolgern mögen, ihre AN gegen ihren Willen zum Urlaubskonsum zu einem konkreten Termin verpflichten zu können, irren sie wohl. Denn § 1155 ABGB in der Neufassung erwähnt nämlich ausdrücklich nur den Sonderfall der Entgeltfortzahlung wegen Schließung bzw Beschränkung des Betretens von Betriebsstätten und nach § 97 Abs 1 Z 13 iVm § 170 ArbVG kommt – wie gerade erläutert – jedenfalls nur eine Regelung für „alten“ Urlaub aus Vorjahren in Frage.
Auch die Verpflichtung zum Urlaubsverbrauch nach Maßgabe von Sozialpartnervereinbarungen kann (in anderen Fällen) ebenfalls nichts daran ändern, dass der Urlaubsantritt mit dem/der AN individuell zu vereinbaren ist.
Darauf hinzuweisen ist ergänzend noch, dass in den von § 1155 ABGB erfassten Fällen (Schließungen bei Entgeltfortzahlung, etc, wie oben erwähnt) bei einer Kündigung auch eine einseitige Anordnung der Urlaubskonsumation während der laufenden Kündigungsfrist möglich sein müsste.
AG-Möglichkeit: Dienstfreistellung bei rechtsmissbräuchlicher Weigerung?
Bereits vor der Corona-Krise galt nach der Rspr des OGH bereits: Weigert sich der AN aber rechtsmissbräuchlich, ihm zumutbaren Urlaub zu konsumieren und scheitern auch alle Einigungs- und Kompromissversuche, könnte der Arbeitgeber zum „Notnagel“ der Dienstfreistellung greifen. Missbräuchlich ist die Verweigerung der Zustimmung des Arbeitnehmers zum Verbrauch seines Erholungsurlaubs dann, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und den beeinträchtigten Interessen des Arbeitgebers vorliegt. Stellt der Arbeitgeber in einer krisenhaften längeren Unterbeschäftigungssituation den Arbeitnehmer vom Dienst frei, kann unter Umständen die Missbrauchsjudikatur des OGH zur Anwendung gelangen und entsprechender Urlaubsverbrauch unterstellt werden.
Das letzte Wort bei streitigen Sachverhalten werden – wie so oft – die Gerichte haben, denn trotz dem sichtbaren Bemühen des Gesetzgebers in der gebotenen Kürze der Zeit bleiben doch noch einige Fragen offen.
Wir stehen Ihnen jedenfalls für Anfragen in rechtlichen Belangen bevorzugt per E-Mail (oder auch per Telefon) jederzeit gerne zur Verfügung. Den persönlichen Klienten-Kontakt haben wir im Sinne der gängigen Empfehlungen zum Schutze beider Seiten einmal bis zum 01.04.20 eingestellt. Dann sind wir - wenn notwendig - gerne auch wieder für persönliche Besprechungen (mit entsprechenden Schutzmaßnahmen) für Sie da!
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, schauen Sie auf sich und bleiben Sie gesund!
Ihr Henrik Gunz
Stichworte: Corona-Krise, Covid 19-Gesetze, Kurzarbeit, Covid-19 Kurzarbeit-Modell Zwangsurlaub, Urlaubsverbrauch, einseitige Anordnung von Urlaub, Betriebsvereinbarung, § 1155 ABGB neu, Rechtsmissbrauch, Dienstfreistellung, Arbeitsrecht
Stand: 27.03.2020